Dienstag, 3. Februar 2009

Die Stadt am Ende der Welt

Ein unglaublich kalter Wind weht von Sueden und ich bin froh, dass ich die Winterklamotten mit habe. Direkt hinter mir ist der Martial-Gletscher knapp unterhalb des Cerro Martial. Wobei es sich bei diesem Gletscher eher um ein grosses Schneefeld handelt. Die Aussicht ist der Grund, warum ich hier herauf geklettert bin - die Aussicht direkt nach Sueden.
Unten, am Rande des Gebirges, liegt Ushuaia, die suedlichste Stadt der Welt. Sie wurde vor knapp hundert Jahren gegruendet. 1902 baute die argenitinische Regierung hier das "Presidio", ein Gefaengnis fuer Gewaltverbrecher und politische Gefangene. Heute ist das "Presidio" ein Museum und es wird ziemlich eindrucksvoll gezeigt, wie die Gefangenen hier hausten. Die beruehmtesten Insassen (in Argentinien beruehmt) sind als Holzfiguren in ihren Zellen zu sehen, darunter auch ein kleinwuechsiger Massenmoerder mit Segelohren und Raffelzaehnen, der boese guckt und und sein Mordinstrument, eine Schlinge, fest in den Haenden haelt. Oben, von der Galerie, schaut ein Holzwaerter boese herab.
Heute ist Ushuaia ein Touristenort der nach GoreTex riecht. Trotzdem gefaellt es mir hier sehr gut. An einigen Stellen kann man noch die kleinen, spitzgiebligen, wellblechgedeckten Haeuser der fruehen Siedler sehen. Ansonsten ist der Ort recht bunt, abgesehen von einigen Betonscheusslichkeiten, die mittlerweile auch hier in die Hoehe ragen.
Hinter Ushuaia liegt der Beagle-Kanal, eine Meeresstrasse, welche die Isla Grande, die groesste Insel Feuerlands, im Sueden begrenzt. Benannt ist sie nach dem Schiff, mit dem Captain Robert FitzRoy zwischen 1831 und 1836 auf Entdeckungsreise ging. Damals begleitete ihn ein junger Student der Natuwissenschaften, der spaeter fuer Aufregung sorgte, weil er allen Ernstes behauptete, dass der Mensch vom Affen abstammt.
Hinter dem Beagle-Kanal liegen zwei Inseln in Regen und Dunst, die zu Chile gehoeren. Hinter diesen Inseln kommt das Kap-Hoorn-Archipel und danach die Antarktis.

Das Schiff, dass ich betrete, hat den schoenen Namen "Elisabetha" und soll mich (mit etwa 30 anderen Touristen) den Beagle-Kanal entlang zur Estanzia Haberton bringen. Ich stehe an Deck, sehr kalter Wind blaest mir ins Gesicht, neben mir steht ein Kameramann und filmt mich. Es ist der offizielle Filmer der Reiseagentur und am Ende kann man eine fertige DVD kaufen. Da ich dem Typen, der sich Pollo nennt (das kommt wohl von Leopoldo), sagte, dass ich heute Geburtstag habe und die DVD auf jeden Fall kaufe, werde ich relativ haeufig gefilmt.
Aber dann ist mir seine Kamera voellig egal und ich konzentriere mich auf meine Spiegelreflex, auf die ich in weiser Voraussicht das 300er Tele geschraubt habe. Unser Boot haelt an einer kleinen Insel - und die Insel ist bewohnt von Seeloewen. Fett und faul liegen sie im Wind oder kabbeln sich, wobei sie seltsam jaulende Geraeusche machen. Ein anderes Geraeusch ist ein "Klick" und das mache ich mit meiner Kamera im Fotorausch.
Der Rausch steigert sich an der naechsten Insel, die bereits zur Estanzia Haberton gehoert. Pinguine ohne Ende! Zwischen den Alten tummeln sich auch frisch geschluepfte, die gerade ein neues Federkleid bekommen. Es ist ganz schoen was los - und es riecht ziemlich streng.
Die Estanzia Haberton ist die aelteste Ranch Feuerlands. Gegruendet hat sie 1867 Thomas Bridges, ein anglikanischer Missionar der die hier ansaessigen Yamana bekehren wollte und aus diesem Grunde deren Sprache lernte. Die Yamana sind dann ausgestorben und das Original seines Woerterbuches kann man heute im Britischen Museum in London bestaunen. Bis 1996 lebten die Nachfahren von Thomas Bridges als Schafzuechter auf der Estanzia, dann verloren sie in einem harten Winter die meisten ihrer Schafe - seit dem leben sie von Touristen. Die braucht man nicht zu scheeren, die muss man schroepfen.
Zurueck nach Ushuaia geht es mit dem Bus, der an ein paar Stellen Foto-Stopps einlegt. Am Ende der heutigen Reise habe ich ueber 150 Bilder belichtet.

Und dann habe ich ja auch noch Geburtstag. Zum 40. am Ende der Welt. An der Hafenmauer von Ushuaia steht ein Motto, das sehr gut dazu passt:
In Ushuaia ends the world and beginns everything!

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Ich bin jetzt schon seit Sonntag hier und werde wohl noch ein paar mehr Tage in Ushuaia verbringen. Es ist einfach zu schoen hier. Morgen besuche ich den Nationalpark - und heute abend gehe ich noch lecker essen.